
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

„Spielte Johann Sebastian Bach Laute?“ Der Musiker Johann Sebastian Bach tritt unbegreiflich vielfältig zutage. Seine Werke erscheinen unendlich schöpferisch und einfallsreich und in ihrer Ganzheit so enorm, dass ein gradlinig denkender Gitarrist Zugang zu Bachs Musik womöglich nur mit kindlich einfachen Fragen finden kann: Hatte Bach in seinem Musikzimmer eine Laute stehen, auf der er täglich spielte? Komponierte er mit einer Laute? Spielte er seine eigenen Kompositionen selbst mit einer Laute? Hatte er überhaupt eine Laute?
Um auf diese scheinbar simple, aber für einen Zupfmusiker doch essentielle Frage nach dem Musikinstrument, eine Antwort zu finden und, um sich als Gitarrist ein klares Bild von Bach und seiner Lautenmusik machen zu können, braucht es zuerst verifizierbare Quellen. Der leichte Zugang im Internet zu digitalisierten Noten bei „Bach digital · das Bach-Portal für Forschung und Musikpraxis“ ermutigt, und es macht Spaß, sich mit diesem Schatz zu beschäftigen. Bei meinem Notenprojekt „Johann Sebastian Bach: Suite in C-Moll (BWV 997)“ konnte ich dort drei relevante Quellen direkt einsehen: Die Abschrift von Johann Friedrich Agricola für „Clavier“, die Transkription von Johann Christian Weyrauch für „Liuto“ und einen Text von Jacob Adlung, in dem Johann Sebastian Bach und ein „Lautenclavier“ erwähnt wird. Nach der Beschäftigung mit diesen Quellen meine ich, den Entstehungsprozess der „Lautenmusik“ von Johann Sebastian Bach etwas besser als vorher zu verstehen. Meine idyllische Vorstellung, dass der Thomaskantor Bach abends nach der Arbeit vor dem Kamin sitzt und Frau und Kindern auf seiner Barocklaute seine neuesten Ideen vorspielt, ist nun nur noch eine schöne, träumerische Fantasie.
Der von Karl Scheit häufig benutzte Terminus „Bachs Lautenmusik“ ist schwammig. Wer seine Version für Gitarre, die er „SUITE A-MOLL für die Laute, BWV 997, Originaltonart c-moll“ (sic) bezeichnete, als Gitarrist heutzutage übt, sollte wissen, dass es unzählige Bearbeitungen für Gitarre und zwei „Urversionen“ des Werkes gibt, die nicht von Bach selbst stammen: Eine Abschrift für „Clavier“, also für ein Tasteninstrument und eine Transkription, eine verkürzte Version mit nur drei der insgesamt fünf Sätzen für Laute. Noten der Suite in C-Moll (BWV 997) für Laute gibt es von Johann Sebastian Bach nicht. Die Abschrift für das Lautenclavier entstand zwischen 1738 und 1741, die Titelbezeichnung „C moll, Preludium, Fuge, Sarabande und Gigue fürs Clavier, von J. S. Bach“ wurde aber erst 18 Jahre nach Bachs Tod von Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel hinzugefügt. Die Transkription „Partita al Liuto“ mit den Sätzen „Fantasia“, Sarabande“ und „Giga“ von Weyrauch entstand etwa zwischen den Jahren 1720 und 1739 und ist eine Intavolierung, also eine Umschrift für Laute.
Johann Sebastian Bach hatte im Mai 1723 mit seiner Familie Leipzig erreicht, um dort das Thomas-Kantorat zu übernehmen. 1739 traf er auf den Lautenisten Silvius Leopold Weiß und ließ sich sicherlich von ihm persönlich auf Privatkonzerten inspirieren. Bach selbst spielte zur selben Zeit auf keiner Laute, sondern, neben der Orgel und dem Clavichord, auch auf einem damals modernen Lautenclavier.